Sunday 15 February 2009

Südafrikas Küste

Man kann Fotobücher auf ganz verschiedene Arten angehen. Man kann, zum Beispiel, mit dem Vorwort anfangen, oder man kann das Buch einfach irgendwo öffnen, blättern, und sich dann den Bildern überlassen, oder man kann sich von den Kapitelüberschriften leiten lassen, oder …. Wer Letzteres tut und mit Kwazulu-Natal beginnt, weil er (Frauen sind mitgemeint) schon mal vor Ort war, wird sich vielleicht wundern, dass er „sein Kwazulu-Natal“ nur selten wieder findet, wenn er sich dann aber ganz einfach diesen eindrücklichen Aufnahmen von Jörn Vanhöfen, die mehr an Gemälde als an Fotografien erinnern, überlässt, wird er eine ganz wunderbare Horizonterweiterung erfahren, in Herz und Hirn.

Copyright @ Jörn Vanhöfen

Es ist ein sehr schön gestalteter, ja edler und eleganter Band, den der Mare Verlag hier vorlegt: Aufnahmen, Bildqualität, Layout, der differenzierte, kluge, und informative Text von Zora del Buono, alles stimmt, nur das Vorwort des Herausgebers fällt etwas ab. Zugegeben, man erfährt Interessantes (etwa, dass es seine Idee war „Eine Reise entlang den Küsten Südafrikas – 2500 Kilometer Wüste, Felsen, Städte und Urwälder am Meer“ ins Bild zu setzen), doch Sätze wie „Besonders Kapstadt und die Badestrände ziehen jedes Jahr Hunderttausende an. Aber die hohe Kriminalität und die himmelschreienden Unterschiede zwischen schwarzer und weisser Bevölkerung begleiten die grandiosen Kulissen“ sind dann doch etwas arg platt: es gibt mittlerweile nämlich auch sehr reiche Schwarze und recht arme Weisse (die gab es übrigens immer schon in diesem Land, verhältnismässig wenige, sicher, aber trotzdem). Zora del Buonos Text ist da näher an der Realität: „Seit 1707 nennen sie sich selbst Afrikaaner, ihre Sprache, das Afrikaans, ist eine Art ältliches Niederländisch, kehlig und dunkel. Was einst die Sprache der Mächtigen war, ist heute auch die Sprache der Abhängigen, die sich aus ihrer wirtschaftlichen Bedrängnis herauszulösen bemühen, ein Versuch, der oft auf Widerstand stösst, aber immer häufiger auch glückt.“

In einem Interview mit Spiegel Online erläuterte Jörn Vanhöfen sein fotografisches Selbstverständnis wie folgt: Spiegel Online: In Ihrem Bildband "Südafrikas Küsten" ist nicht das Südafrika der sattsam bekannten Klischees, sondern stille Landschaften und öde Städte zu sehen. Vanhöfen: Ich bin ein politischer Landschaftsfotograf, und mein Verleger Nikolaus Gelpke wollte das politische, kulturelle, gesellschaftliche Leben nach der Apartheid zeigen. Er wusste, dass ich immer versuche, mehrdeutige Bilder zu schaffen. Ich will den Betrachter damit zwingen, die Bilder nicht nur zu konsumieren, sondern wirklich zu lesen.

Sind denn Bilder nicht sowieso mehrdeutig? fragt man sich da, eingedenk des russischen Sprichworts „Er lügt wie eine Augenzeuge“ unwillkürlich. Zudem: was der Fotograf will, ist das Eine, ob jedoch die Bilder dann auch tun, was er will, dass sie tun sollen, ist hingegen … na ja, wer will das schon wissen?

Copyright @ Jörn Vanhöfen

Wer den Band einige Male durchgeht und den Versuch macht, die Bilder, wie das der Fotograf will, wirklich zu lesen (und dies meint: genau hingucken, was das Bild zeigt; sich überlegen, was man ins Bild hineinliest; das Bild zu spüren versuchen etc), der wird zweifellos emotional bereichert werden. Und er wird weiter denken, und weiter empfinden, über diese inspirierenden Fotos hinaus. Ob der Band es jedoch schafft, „das politische, kulturelle, gesellschaftliche Leben nach der Apartheid“ zu zeigen, ist schwer zu sagen – können Fotos das überhaupt? Gehört es denn nicht zum Wesen der Fotografie, dass sie Abstraktes (Politisches, Kulturelles, Gesellschaftliches) gar nicht abbilden (höchstens zuschreiben) kann? Zudem: Was soll das eigentlich sein, politische Landschaftsfotografie, ausser einer weiteren, für den Betrachter wenig hilfreichen Abgrenzung? Möge uns die politische Weltraumfotografie erspart bleiben!

Jörn Vanhöfen
Südafrikas Küste
Mare, Hamburg 2008

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