Sunday 21 October 2012

Brasilien: Der Tanz in den Wohlstand

2006 war ich zum ersten Mal in Brasilien, drei Monate erkundete ich per Bus den Nordosten des Landes. 2008 und 2009 arbeitete ich dann als Englischlehrer in Santa Cruz do Sul, einer Stadt mit 120'000 Einwohnern, zwei Stunden von Porto Alegre. Seither begeistert und bewegt mich dieses Land. Weshalb ich denn auch sofort ein paar Bücher dazu empfehlen will: 'Das Rauschen der Welt' von Rainer Fabian; A 'Death in Brazil' von Peter Robb; 'Tent of Miracles' von Jorge Amado; 'Brasil. Um País do Futuro' von Stefan Zweig; 'Brasil para principiantes' von Peter Kellemen und 'Communicating with Brazilians: When Yes means No' von Tracy Novinger. Bei all diesen Büchern spürte ich eine ansteckende Brasilien-Begeisterung, die dem 'Brasilien-Du' leider abgeht.

Vielleicht hätte mich bereits der Untertitel skeptisch machen sollen, denn in den Wohlstand tanzt niemand, nirgendwo, auch nicht in Brasilien. Oder das Inhaltsverzeichnis, dem ich entnehme, dass, abgesehen von der Einleitung von Oliver Prange, gerade einmal zwei Autoren Texte beigetragen haben: Alex Gertschen und Peter K. Wehrli. Gertschen ist promovierter Historiker, berichtete von 2007 bis 2011 für die NZZ aus Mexiko-Stadt und so schreibt er auch: informativ, detailliert und leblos. Die Texte hätten überall, wo es ein gutes Archiv gibt, geschrieben werden können. Von der Lebendigkeit, die Brasilien ausmacht, spürte ich so ziemlich gar nichts.

Peter K. Wehrlis Texten merkt man hingegen die Brasilien-Faszination an, vor allem seinem langen Aufsatz mit dem schönen Titel 'Die sinnliche Zivilisation Brasiliens  wo das Grün grüner, das Rot röter und das Blau blauer ist', worin er unter anderem von Jorge Amados Besuch im Zürcher Niederdorf und von Cendrars' als Lehrmeister der brasilidade berichtet. Bei Wehrlis beiden anderen Texten – 'Kunst vor Ort: die neue Casa Daros in Rio de Janeiro' und 'Inseln der Hoffnung –  die Fundación Avina setzt auf Ökoeffizienz' – konnte ich mich jedoch des Eindrucks nicht erwehren, es handle sich um Auftragsarbeiten des Industriellen Stephan Schmidheiny (in beiden Texten kommt er prominent vor). Damit soll keineswegs etwas gegen das beeindruckende Engagement Schmidheinys in Lateinamerika gesagt werden, doch wirkt die Themengewichtung bei diesem extrem vielfältigen Land verblüffend fantasielos. 

Und dann sind da noch die Fotos. Sie stammen von Fotografen der Agentur Noor: Francesco Zizola, Andrea Bruce und Kadir van Lohuizen. Angesprochen haben mich vor allem die Aufnahmen Zizolas zum 'Treibstoff vom Acker' sowie die Schwarz/Weiss Bilder van Lohuizens vom '(echten) wilden Westen' - da konnte ich dieses gewaltige, mich staunen machende und in seinen Bann ziehende Land fühlen.

DU Oktober 2012
Brasilien
Der Tanz in den Wohlstand
http://www.du-magazin.com

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