Wednesday 18 June 2014

Magnum Revolution

Magnum Photos wurde 1947 in Paris als weltweit erste kooperativ geleitete Agentur freischaffender Fotografen ins Leben gerufen; die vier Gründungsmitglieder waren Robert Capa, Henri Cartier-Bresson, George Rodger und David "Chim" Seymour.

Magnum Revolution dokumentiert rund 30 Revolutionen mit Hunderten von Schwarz-Weiss und Farbaufnahmen von 40 Fotografen, vom Ungarischen Aufstand  im Jahre 1956 bis zum Arabischen Frühling von 2011-2012. Einige der Bilder in diesem eindrücklichen Band sind Teil des kollektiven visuellen Gedächtnisses geworden, andere wiederum liessen mich einigermassen verblüfft zurück. So war ich beim Fall der Berliner Mauer vor Ort und musste/durfte beim Betrachten dieser Fotos verwundert zur Kenntnis nehmen, dass die Bilder in meinem Kopf mit den Bildern in diesem Band (bis auf eins) absolut gar nicht zu vereinbaren waren.

Der Untertitel Fünfundsechzig Jahre Freiheitskampf macht klar, dass es sich um ein historisches Dokument handelt. Und möglicherweise wird es auch eines der letzten dieser Art sein. Denn, wie Jon Lee Anderson in seinem einleitenden Essay ausführt: "Kein Magnum-Fotograf hielt die letzten Momente im Leben Gaddafis nahe der Stadt Sirte fest, doch konnten wir alle sehen, was geschah. Mehr und mehr werden die Realitäten heutiger Konflikte auf diese Weise aus nächster Nähe in die Welt getragen, entweder durch unbeteiligte Bürger oder durch die Kämpfenden selbst. Sie filmen und fotografieren, was sie sehen und tun, und stellen es dann über das Internet Millionen Nutzern zur Verfügung."

Gut möglich also, dass Fotojournalisten, die uns Kriege visuell nahe bringen, bald überflüssig werden. Doch vielleicht eben auch nicht, denn Aussagen über die Zukunft ist bekanntlich eigen, dass sich die Zukunft nicht voraussagen lässt. Als das Fernsehen aufkam, glaubten viele, dass die sich bewegenden Bilder die unbewegten bald ablösen würden, stattdessen erlebte der Fotoapparat einen unglaublichen Aufschwung. Noch nie wurden mehr Fotos gemacht als heute.

Es gibt Fotos in diesem Band, die, was Bildkomposition und  Qualität angeht, von irgendjemandem, der eine Kamera zu bedienen weiss, hätten gemacht werden können. Es gibt aber auch solche, die so umwerfend sind, dass man instinktiv zu spüren glaubt, dass da ein Meister am Werk war. In meinen Augen gilt das speziell für Steve McCurrys Afghanistan-Bilder aus den Jahren 1979-2002.

Es ist gut, dass es Magnum Revolution. Fünfundsechzig Jahre Freiheitskampf gibt. Auch, weil ich an Konflikte erinnert werde, die mir schon lange nicht mehr gegenwärtig sind. Zum Beispiel durch  Abbas' Aufnahmen aus dem Iran von 1979 oder Susan Meiselas' (die einzige Frau in diesem Band) Fotos aus Nicaragua von 1978-1979. Oder weil ich von Ereignissen erfahre, von denen ich gar keine Kenntnis hatte (wie etwa San Marino 1957). Dann aber auch, weil es eine Wiederbegegnung mit Bildern ist, die mich, seit ich sie zum ersten Mal gesehen habe, jedes Mal von Neuem packen. Ganz besonders trifft das auf Josef Koudelkas 1968er-Aufnahmen aus Prag zu.

Magnum Revolution
Fünfundsechzig Jahre Freiheitskampf
Mit einem Essay von Jon Lee Anderson
Texte und Interviews von Paul Watson
Prestel Verlag
München-London-New York 2012

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